Hinteres Kreuzband (PCL)

Während die Operation des vorderen Kreuzbandes („vordere Kreuzbandplastik“) beinahe in jeder Sportsendung angesprochen wird, wird über Verletzungen des hinteren Kreuzbandes in den Medien deutlich weniger berichtet.
Einerseits kommt diese Verletzung seltener vor als der Riss des vorderen Kreuzbandes, andererseits sind aber auch Schwierigkeiten bei der Diagnose dieser Verletzung ursächlich für die teils stiefkindliche Abhandlung dieses Themas.

Warum ist das hintere Kreuzband wichtig?

Das hintere Kreuzband stellt einen zentralen Stabilisator im Knie dar und dessen Verletzung ruft ein wesentliches Defizit hervor.
Innerhalb von 5 Jahren kommt es bei ~ 80% der Patienten zu Knorpelschäden innen am Knie, bei ~ 50% zu Knorpelschäden an der Kniescheibe (Strobel et al 2003).
Patienten mit Instabilitäten im Kniegelenk berichten häufig über „Auslaßerscheinungen“, das Knie „gibt nach“. Es bedarf einer genauen Befragung, bei welchen Aktivitäten das Knie seinen Dienst versagt. Bei Kreuzbandverletzungen rutscht entweder der Unterschenkel dabei nach vorne („vordere Schublade“ bei vorderer Kreuzbandverletzung) oder aber nach hinten („hintere Schublade“ bei hinterer Kreuzbandverletzung).

Wie passiert diese Verletzung?

Das typische Verletzungsmuster ist ein Druck von vorne auf den Unterschenkel bei gebeugtem Knie (Autounfall mit Aufprall am Armaturenbrett , Zusammenstoss beim Ballsport oder zB Aufprall auf festen Gegenstand beim Skifahren).
Häufig kommen Kombinationsverletzungen mit Seitenbandkomplexen vor.
Im Sport kommt es durch Sturz auf das gebeugte Bein (Hyperflexion) und auch durch plötzliches Überstrecken (Hyperextension) des Kniegelenkes zur hinteren Kreuzbandverletzung.
Gelegentlich reißt das hintere Kreuzband mit einer kleinen Knochenschuppe am Unterschenkelknochen aus

Wie erkennt man einen hinteren Kreuzbandriss?

Bei MR-Untersuchungen, die nicht sofort nach dem Unfall durchgeführt werden, ist oft ein „normales“ hinteres Kreuzband beschrieben.
Das kann daher kommen, weil das hintere Kreuzband deutlich besser durchblutet ist als das vordere und häufig wieder an ähnlicher Stelle liegt wie vor dem Riss.
Trotzdem verheilt es ohne entsprechende Behandlung meist in Verlängerung, was die Instabilität hervorruft.
Bei der Untersuchung im Liegen kann in ausgeprägten Fällen beim aufgestellten Knie schon der Unterschenkel im Vergleich zur Gegenseite nach hinten sinken. Häufig sind Prellmarken an der Schienbeinvorderseite oder Blutergüsse in der Kniekehle zu sehen.
Aufpassen muss der Untersucher jedenfalls, ob bei einer Instabilität das Knie von einer gestörten hinteren Schublade in eine Zentralstellung, oder von der Zentralstellung in eine vordere Schublade gezogen werden kann.
Die Diagnose kann man mit „gehaltenen Knieröntgen“ sichern, wobei der Unterschenkel bei gebeugtem Knie einmal von vorne nach hinten und das zweite mal von hinten nach vorne gedrückt wird (Abbildung).

Bei einem gesunden Knie wird immer ein zentraler Gelenkskontakt bestehen.
Bei einer hinteren Kreuzbandverletzung lässt sich der Unterschenkel nach hinten schieben. Bei chronischen Verletzungen kann das Knie manchmal gar nicht mehr in eine zentrale Stellung gebracht werden („fixierte hintere Schublade“).Häufig ist als indirektes Zeichen einer hinteren Kreuzbandverletzung ein „wellig entspanntes“ vorderes Kreuzband bei der Arthroskopie zu sehen, was nicht mit einer Verletzung des vorderen Kreuzbandes verwechselt werden sollte.

Im schlimmsten Fall wird die Instabilität verkannt und das falsche Kreuzband ersetzt (siehe Abbildung).

Was ist die beste Behandlung?

Ist die Diagnose einmal gesichert und die Verletzung frisch, kann man eine konservative Behandlung mit einer Schiene durchführen.

Ich verwende dazu die bewegliche Schiene „PCL-Jack“ von der Firma Albrecht, die eine vordere Schublade bei erhaltener Beweglichkeit bewirkt. Wichtig ist das permanente Tragen dieser Schiene für 3 Monate, um eine Verlängerung des Bandes zu verhindern. Sollten gröbere Instabilitäten oder gar eine Knieluxation vorliegen, sollte man eine Operation vorziehen.

Bei länger zurückliegenden Fällen muss eine genaue Abschätzung der Zusatzverletzungen erfolgen.
Die operative Rekonstruktion des hinteren Kreuzbandes kann man vollständig arthroskopisch durchführen (Abbildung) und muss unbedingt von einer kompetenten Nachbetreuung gefolgt werden.

Zu forsche oder falsche Physiotherapie kann den Operationserfolg vernichten. Ein enger Kontakt zwischen Patient, Operateur und Physiotherapeut ist äußerst wichtig.
Der sportliche Ausfall bei einer solchen Operation bewegt sich etwa im Rahmen einer vorderen Kreuzbandrekonstruktion (je nach Zusatzverletzung zwischen 6-12 Monaten). Die vorhin beschriebene Spezialschiene muss nach der Operation für 3 Monate getragen werden. Eine Abnahme der Schiene sollte in dieser Zeit nur in Bauchlage erfolgen .
Wenngleich es schwierig ist, bei einer solch komplexen Verletzung eine vollständige Wiederherstellung zu erreichen, ist zumindest eine exakte Diagnose und eine entsprechende Behandlung der Grundpfeiler, um für den Patienten den maximalen Erfolg zu erreichen.